Geschichten aus dem Corona-Alltag der BDS
Eine Bestattung ohne Angehörige
Das Hauptaufgabengebiet der „Bethanien Sternenkinder Hamburg“ ist die Bestattung der Sternenkinder - jener Babys, die schon in der Schwangerschaft im Bauch der Mütter sterben und die nicht bestattungspflichtig sind (in Hamburg liegt die Grenze bei unter 1000g). Diese verstorbenen Kinder werden eingeäschert und dann an vier Terminen im Jahr gemeinsam in einer Urne bestattet. An den Feiern nehmen die Eltern sehr gern teil, weil sie ihnen ermöglicht, bewusst Abschied zu nehmen und den Ort zu kennen, an dem ihr Kind bestattet ist. Auch der Kontakt zu anderen Eltern im Anschluss an die Feier ist für viele Eltern sehr hilfreich. Da zurzeit wegen Corona keine Trauerfeiern mit mehr als 6 Personen gestattet sind, mussten wir uns um die nächste Abschiedsfeier am 22. April Gedanken machen. Sollten wir sie verschieben? Aber wohin? Wer könnte uns sagen, wann solch eine Feier wieder wie üblich stattfinden kann, da meistens zwischen 50 - 90 Eltern und ihre Angehörigen dabei sind? Also haben wir entschieden, dass wir den Termin beibehalten und die Eltern auf andere Art und Weise mit einbeziehen.
Mit 22 Müttern oder Vätern habe ich telefoniert, um ihnen eine wichtige Mail mit allen Infos anzukündigen. Die Eltern können uns in dieser Woche kleine Briefe oder etwas Gebasteltes zu senden, das wir mit ins oder ans Grab geben sollen. Sie sind eingeladen sich an dem Tag der Bestattung mit einem Ritual zu verbinden - indem sie eine Kerze anzünden oder Seifenblasen oder einen Ballon steigen lassen - ein Schiffchen schwimmen lassen, einen Kuchen für ihr Kind backen oder, oder, oder…wenn die Eltern möchten, können sie uns davon ein Filmchen oder ein Foto zukommen lassen, so sind wir in Verbindung. Das Team, das auch sonst diese Bestattung gestaltet, wird auch an dem Tag die Namen der Sternenkinder verlesen, ein Gebet sprechen, eine Musik spielen, die Kinder segnen und den kleinen Korbsarg dann auch bestatten. Es wird in Fotos und einem kleinen Film in Bild und Ton festgehalten. Die Fotos werden den Eltern zur Verfügung gestellt, der Film wird (wahrscheinlich) bei der Gedenkfeier gezeigt, zu der wir dann sobald es möglich ist, einladen werden. Durch das Telefonieren und die noch geplante „Nachfeier“ wird die Verbindung zu diesen Eltern sicher etwas enger als zu den Eltern vorangegangener Feiern.
So schmerzvoll es ist, überhaupt Abschied nehmen zu müssen von dem erwarteten Kind, so traurig ist es nun, dass die Eltern nicht bei der Abschiedsfeier dabei sein können. Wir denken aber, dass es so für die Eltern wenigstens eine Klarheit gibt: Dies ist und bleibt der Tag der Bestattung, sie können danach wieder ein bisschen mehr Frieden finden für ihre Seele - ein weiterer Abschnitt ist geschafft und vollzogen. Es gibt einen Ort, an den sie denken können. Sie warten nicht mehr. Denn man muss wissen, dass einige Eltern bereits seit Januar auf diesen Tag hinleben. Es ist vielleicht kein Punkt, aber doch ein Semikolon, den dieser Tag setzt. Die Eltern und Familien haben natürlich nach dem Tag der Bestattung die Möglichkeit auf den Friedhof ans Grab zu gehen.
Seit einigen Monaten gibt es zudem das Angebot eines Sternenkinder-Cafés in den Bethanien-Höfen, damit wir die Möglichkeit der Verbindung über die Feiern hinaus ermöglichen. Heute treffe ich nun drei Mütter online bei einer Video Konferenz, die sonst gerne an den Treffen teilnehmen. Ich bin gespannt, wie es wird. Mit einem Kaffee und einem Keks vor dem Bildschirm sitzen und sich austauschen über die Zeit der persönlichen Trauer und die Zeit dieser Krise, die uns alle betrifft.
A. Paschen, Leitung Bethanien Sternenkinder Hamburg